Donnerstag, 15.11.2018 / 18:30 bis 21:00 Uhr
WO? Rathaus der Stadt Heidelberg, Marktplatz 10, 69117 Heidelberg – Alter Rathaussaal
Leben in der Jagd
Im Rahmen des Waldhauptstadtjahres 2018 in der Reihe MENSCH.WALD.LEBEN. veranstaltet Kulturgut im Quadrat in Zusammenarbeit der Abtlg. Forst eine weitere spannende Veranstaltung zum Verhältnis Mensch und Tier.
18:30 Uhr EINLASS
19:00 Uhr Vortrag I
Das Verhältnis des Menschen zur Natur
Univ.-Prof. Dr. Barbara Krug-Richter Universität des Saarlandes
Historische Anthropologie/Europäische Ethnologie
Die Jagd hat in Deutschland seit Jahren ein Rechtfertigungsproblem. Immer wieder müssen sich Jäger für das Töten von Tieren rechtfertigen. Das Ansehen der Jagd und der Jäger ist so ambivalent wie die vielfältigen Formen des Jagens, die noch dazu gar nicht alle in deutschen Wäldern stattfinden. So ging weltweit ein Aufschrei durch die Medien, als ein US-Zahnarzt vor einigen Jahren „Afrikas beliebtesten Löwen“ erschoss oder der älteste Sohn von Donald Trump mit der Trophäe eines erschossenen Elefanten posierte. Die gesellschaftlichen wie medialen Diskurse um das Jagen und Töten von wilden Tieren betten sich ein in ein sich permanent wandelndes Verhältnis des Menschen zum Tier und zur Natur.
Dabei war das Recht, wilde Tiere zu jagen, bis zum Ende des 18. Jahrhunderts in Deutschland ein Privileg des Adels. Die in der Frühen Neuzeit praktizierten Formen der Jagd spiegeln entsprechend sowohl die hierarchische Struktur der Ständegesellschaft als auch das hierarchische Verhältnis zwischen Mensch und Natur/Tier. Berittene Jäger bewiesen Kunstfertigkeit und Mut auf vormodernen Hetzjagden, bei denen Hundemeuten das Wild zu Tode trieben und Jäger dann den ‚Gnadenschuss‘ gaben. Reiche Fürsten hingegen setzten sich in geselliger Runde unter einen Pavillion und ließen sich das Wild zutreiben, um es dann ohne großen körperlichen Einsatz und völlig ohne persönliches Risiko standesgemäß zu erlegen
Der Vortrag thematisiert diese beiden Formen der frühneuzeitlichen Jagd als zentralen Spiegel der vormodernen Ständegesellschaft. Es geht um Jagdformen wie die sogenannte ‚eingestellte‘ oder ‚deutsche Jagd‘, die insbesondere im 17. und 18. Jahrhundert an Adelshöfen praktiziert wurde (z.B. auch in Schwetzingen). Bei dieser Form der Jagd wurde das Wild im Wald immer weiter und enger eingezäunt, bis es keine andere Möglichkeit mehr hatte, als dem in einem Prunkzelt sitzenden Jäger und seinen Gästen vor die Flinte zu laufen. Ein Kontrastprogramm bildete die im Verlauf der Frühen Neuzeit aus Frankreich kommende Parforcejagd, in der die Jäger zumindest gut reiten und eine Hundemeute steuern können mussten, um jagdlich erfolgreich zu sein. Bei dieser Form der Jagd wurde ein Tier, oft ein Hirsch, zu Tode gehetzt. Beide Formen der Jagd zeigen ein Verhältnis des Menschen zur Natur, in dem sich dieser als Herrscher über eine niedere Kreatur verstand.“.
20:00 Vortrag II
SINN & SINNLICHKEIT DER JAGD,
Dr. Thorsten Gieser,
Lecturer in Anthropology and International Coordinator Institut für Kulturwissenschaft Universität Koblenz
Was tun Jäger eigentlich, wenn sie zur Jagd gehen? Welche Art von Natur- und Tiererfahrung ermöglicht die Jagd? Die teils heftig teils kontrovers geführten öffentlichen Debatten um die Jagd lenken meist davon ab, sich genauer damit zu beschäftigen, was dabei im Detail passiert. Wie ist es, wenn man an einem kalten Dezembertag stundenlang im Regen im Wald steht, auf ein Tier wartet und wartet, sich dabei still verhalten und trotzdem unermüdlich wachsam bleiben muss? Wie fühlt es sich an, wenn man dann ein Tier erblickt, langsam die Waffe erhebt und sich bereit zum Schuss macht? Anhand dieser für die Jagd zentralen Handlungen zeigt Dr. Gieser, inwiefern die Jagd eine durch und durch körperliche Handlungs- und Wahrnehmungspraxis ist. Hier treffen sich Empfinden und Affekt, Handlungskompetenzen und geschulte Sinnes- bzw. Wahrnehmungsfertigkeiten. Und hier entsteht auch eine Art ‚Sinn‘, der sich aus dem Vollzug des Jagens ergibt und nicht dadurch, dass er auf etwas außerhalb der Jagd verweist (die gesellschaftliche oder ökologische Bedeutung).
Die Jagd bietet dabei eine Vielzahl an einzigartigen sinnhaften und sinnlichen Erfahrungen. Doch ist sie auch eine kulturelle Praxis, geformt durch ethische Vorstellungen (Weidgerechtigkeit) und Handlungsnormen (Know-How), Gesetze (z.B. Tierschutz), materielle und technologische Hilfsmittel (Ansitze, Waffen). Dadurch werden Jagderfahrungen auch normiert und strukturiert: ‚Jagdkultur‘ liefert somit die Möglichkeitsbedingungen für das Entstehen von ‚typischen‘ Jagderfahrungen wie denen des Beobachtens und Tötens. Das Einfühlen und Reflektieren dieser typischen Erfahrungen eröffnet uns eine neue Perspektive, die Jagd und Jäger zu verstehen.
Verpflegung und Kosten
Zum Empfang um 18:30 Uhr reichen wir Ihnen einen kleinen Imbiss und ein Glas Sekt oder Softgetränke. Kosten 10 EUR, 5 EUR ermäßigt.
Weitere Informationen findet Ihr hier, auf der Seite der Abteilung Forst des Landschafts- und Forstamtes Heidelberg